Interview mit den Schwestern Denise und Dominique Brown zur neuen Doku-Serie „Der tragische Mord an Nicole Brown Simpson“ (25.11., 20:15 Uhr auf Crime + Investigation im Rahmen der Sonderprogrammierung „Gewalt gegen Frauen beenden“ – sowie auf Abruf unter anderem über Crime + Investigation Play und WOW/Sky)
Video-Interview: https://youtu.be/ZvV0PnOBPqQ
Vor 30 Jahren wurde Nicole Brown Simpson, die frühere Ehefrau von O. J. Simpson, zusammen mit ihrem Bekannten Ronald Goldman ermordet. Der frühere Football-Star und Gelegenheitsschauspieler wurde daraufhin festgenommen und angeklagt. Es begann ein Gerichtsverfahren, das international für großes Aufsehen sorgte. O. J. Simpson beteuerte bis zu seinem Tod am 10. April 2024 seine Unschuld, während die Familien der Getöteten von seiner Schuld überzeugt waren und sind. Anlässlich des 30 Jahre zurückliegenden Mordes der gebürtigen Frankfurterin erinnern sich in der neuen Doku-Serie „Der tragische Mord an Nicole Brown Smith“ zahlreiche Zeitzeugen an die Verstorbene, die schwierige Beziehung zu O. J. Simpson, den dramatischen Mordfall und den Prozess. Nicole Browns Geschichte wird dabei vor allem von ihren Schwestern Denise, Dominique und Tanya sowie ihren engsten Freundinnen, darunter Kris Jenner und Faye Resnick, erzählt.
Im folgenden Interview sprechen Dominique und Denise Brown über das dramatische Ereignis und äußern sich zur Bedrohung, die von häuslicher Gewalt ausgeht.
Inwiefern unterscheidet sich die neue Doku-Serie „Der tragische Mord an Nicole Brown Simpson“ von früheren Produktionen?
Denise: Wir drei Schwestern, außer uns auch noch Tanya, haben uns bei dieser Doku-Serie intensiv eingebracht. Wir haben Freunde von Nicole, die niemals Interviews gaben, und Freunde der Familie gebeten, in der Doku ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu schildern. Darunter ist vieles, das wir selbst noch nicht wussten. Wir erzählen Nicoles Geschichte auf eine sehr persönliche Art und Weise, die sich von den meisten anderen Dokumentationen deutlich unterscheidet. In diesen ging es vorrangig um die Gerichtsverhandlung in dem Mordprozess.
Dominique: Es geht in erster Linie um Nicole, natürlich auch um O. J., weil er Teil ihrer Geschichte ist. Ich stimme Denise zu, dass wir durch die Doku-Serie selbst viel Neues erfahren haben. Die Arbeit an der Doku-Serie war für uns zudem sehr emotional, denn in dem Material, das verarbeitet wurde, hörten wir Nicoles Stimme wieder. Wir erfuhren einiges, von dem wir nicht wussten. Rückblickend fügen sich nun einige Puzzleteile zusammen. Wir haben ihre Tagebücher gefunden, die sie als liebende Schwester, Tochter und Mutter zeigen.
Wie würdet ihr die Beziehung zwischen Nicole und O. J. beschreiben? Was für eine Art Beziehung war es?
Dominique: Eine sehr leidenschaftliche. Sie liebte ihn sehr. Es war für uns schwer zu verstehen, dass es mit der häuslichen Gewalt gegen Nicole im Laufe der Beziehung kontinuierlich voranschritt, so dass unsere Schwester teilweise abtauchen musste.
Denise: Wir hatten mit Deutsch unsere eigene Sprache, als wir in die Vereinigten Staaten kamen. Wir erzählten uns unsere eigenen Geheimnisse über Jungs, für die wir schwärmten. Wir sprachen darüber, was wir später im Leben machen wollten. Doch es gab auch Dinge, die Nicole uns nicht anvertraut hatte. Sie hatte ihre Geheimnisse. Von ihnen erfuhren wir später in Nicoles Tagebüchern, die Dominique fand. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater zu mir sagte: „Das kann doch nicht wahr sein! Warum sagte sie nichts? Warum ist sie bei ihm geblieben?“ Wir selbst sind in einer Welt ohne Gewalt aufgewachsen, und so war es schwer für uns, das alles zu begreifen.
Dominique: Man kann sich wirklich schwer vorstellen, dass, wenn zwei Menschen sich lieben, einer von ihnen so etwas Böses tat – und doch war es so. Er ging sogar so weit, dass er sie und ihren Bekannten schließlich tötete. Im Rückblick hatten sie wirklich extreme Kämpfe miteinander. Es fing noch relativ harmlos an, wenn er gegen ihre verschlossene Zimmertür hämmerte, er steigerte sich dann in Schlägen und Tritten gegen sie. Ich fand das Tagebuch nach ihrem Tod in ihrer Küche in einem Karton unter Zeichnungen, die die Kinder in der Schule angefertigt hatten. Das war ein sicherer Platz, den er nicht finden konnte.
Denise: Auf die Doku-Serie bin ich wirklich stolz. Es war sehr schwer für uns, daran zu arbeiten. 30 Jahre nach Nicoles Tod haben wir uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, auch unsere Emotionen waren intensiv. Das, was Nicole passiert ist, ist etwas, das man niemandem jemals wünscht. Wir sprechen so oft über häusliche Gewalt, weil wir nicht wollen, dass eine solche Tragödie woanders auch passiert.
Habt ihr einen Rat für Menschen, die unter häuslicher Gewalt leiden?
Denise: Alle sollten sich klar machen, dass es einen Kreislauf von häuslicher Gewalt, von Macht und Kontrolle gibt. Häufig fängt die häusliche Gewalt verbal an: „Du bist dumm! Du bist hässlich! Du bist wertlos! Niemand schaut dich an!“ Es eskaliert dann in physischer Gewalt, darin, geschlagen und getreten zu werden. Und auf einmal kommt danach das „Flitterwochengesicht“ des Täters, der die Gewalt bedauert. Und man verzeiht ihm. Doch der Missbrauch geht weiter, auch in sexueller und finanzieller Hinsicht. Man muss einfach raus aus dieser toxischen Beziehung, doch hierfür benötigen Betroffene einen Plan, wohin sie gehen können, wo der Täter sie nicht findet. Das sollte man sich klarmachen. Wenn man von jemandem mitbekommt, dass er unter häuslicher Gewalt leidet, hilft es nicht, Fragen zu stellen wie „Warum bleibst du bei ihm? Warum trennst du dich nicht?“ Ich habe diese Fragen selbst gestellt, was falsch war. Man muss unterstützen und stets eine Tür offen halten für Gespräche. Betroffene müssen bereit dafür sein, eine von Gewalt geprägte Beziehung zu verlassen. Wenn es so weit ist, brauchen sie einen Plan.
Zurück zu Nicole: Erinnert ihr euch daran, was ihr fühltet, als ihr die Nachricht von ihrem Tod erhieltet und O. J. Simpson per Helikopter gejagt wurde und die Medien darüber live berichteten?
Denise: Ich war damals um sechs Uhr morgens wach und hörte meine Mutter schreien. Ich lief in ihr Schlafzimmer und fragte: „Was ist passiert?“ Sie sagte nur: „Deine Schwester wurde ermordet.“ Ich konnte es nicht fassen und dachte, es handele sich um einen schlechten Telefonscherz. Ich nahm meiner Mutter den Hörer aus der Hand und fragte, wer dran sei. „Hier ist Detective Tom Lange, Ihre Schwester wurde getötet.“ „Oh, mein Gott!“, entfuhr es mir. „Er hat es wirklich getan!“ „Wer?“, wollte Lange wissen. „O. J. Simpson“, entgegnete ich. „Er hat sie getötet!“ Das war meine erste Reaktion. Danach herrschte nur noch Chaos im Haus.
Dominique: Ich war auf der Arbeit, als mich Denise anrief. „Er hat es getan!“, sagte sie.
In diesem Jahr starb O. J. Simpson. Empfindet ihr Gerechtigkeit? Wie seid ihr damit umgegangen?
Denise: Die Leute fragen mich immer wieder: „Gibt es eine Möglichkeit, die Sache abzuschließen?“ Doch für mich ist es nicht abgeschlossen. Nicole ist nicht hier. Sie wird nie wieder zurückkommen. Er nahm ihr das Leben. Das wird nie abgeschlossen sein. Ich kann das niemals vergessen und ihm niemals vergeben. Man muss sich vor Augen führen: Nicole hat nicht gesehen, wie ihre Kinder weiter aufwuchsen und selbst Eltern wurden. Das konnte sie alles nicht mehr miterleben, und das alles nahm ihr dieses Monster. Das ist für mich die traurigste Sache überhaupt.
Das Interview führte Marc Hairapetian. (Verwendung honorarfrei)
Die deutsche TV-Premiere von „Der tragische Mord an Nicole Brown Smith“ erfolgt am 25. November ab 20.15 Uhr mit vier Episoden in Folge auf Crime + Investigation im Rahmen der Sonderprogrammierung „Gewalt gegen Frauen beenden“ anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt an Frauen. Zudem steht die Doku-Serie unter anderem über Crime + Investigation Play und WOW/Sky zum Abruf bereit.
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